Was kann eigentlich mit Blogger Relations bewirkt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Diskussionsrunde in der Filterblase. Christian Dingler vertritt die Meinung, dass Blogs nur ein Phänomen der Filterblase sind. Das möchte ich so nicht stehen lassen und antworte mal ganz oldschool mit einer Blog-Replik.
Mittwochabend, kurz nach dem Länderspiel, sah ich einen Tweet von Christian Dingler:
Blogger, die anderen Blogs Interviews zum Thema Blogger Relations geben … Ach ja.
— Christian Dingler (@dingler_g4) 3. September 2014
Die anschließende Diskussion war kontrovers und veranlasste Christian zu einem kleinen Rant: „Filterblase, wir müssen reden – Blogger Relations – ein überschätztes Instrument“. Ich fasse den Inhalt mal kurz zusammen:
Blogger Relations werden überschätzt. Grund dafür ist die Filterblase, innerhalb derer die Blogger kommunizieren und die Sascha Lobo glaubwürdig auf 50.000 Personen beschränkt. Diese können aber nur erreicht werden, wenn es um Themen wie Digitalisierung, Vernetzung, Netzpolitik oder Tech/Gadgets geht. Andere Themen haben kleinere Nischen.
Im Vergleich zu Printmagazinen sei das wenig. Beim Thema Reisen habe das Lufthansa-Bordmagazin zum Beispiel einen Auflage von 560.000, das ADAC-Reisemagazin 160.000. National Geographic verkauft 156.000 Exemplare.
Das Fazit: Durchschnittliche Blogs haben weniger Bedeutung als eine Fachzeitschrift mit schlechter Auflage.
So weit Christian. Falls ich was falsch verstanden oder wiedergegeben habe, möge man mich berichtigen.
Die Filterblase
Grundsätzlich scheint mir die Zahl von 50.000 als Größe für die Social-Media-Filterblase in Deutschland plausibel zu sein. Das ist dann aber wirklich der harte Kern. Die Annahme, dass deren Mitglieder, zu denen sicher sehr viele Blogger zählen, nur andere Filterblasen-Bewohner erreichen, kann ich dagegen nicht nachvollziehen. Bleiben wir kurz bei Sascha Lobo, so muss man sich fragen, wie der dann zu knapp 200.000 Followern bei Twitter kommt. Nun ist nicht jeder Blogger ein Sascha Lobo, was vermutlich auch ganz gut so ist. Dennoch bin ich der Ansicht, dass Christian hier selbst zum Opfer der Filterblase geworden ist. Im Grunde müsste man aus der Filterblase heraustreten, um zu sehen, was da draußen so vor sich geht. Mir fällt das ehrlich gesagt sehr schwer.
Ich sehe nur, was mit meinen Inhalten passiert, die ich so ins Netz stelle. Natürlich verteile ich sie auch über meine sozialen Kanäle und allein damit erreiche ich schon Personen außerhalb der Bubble. Dann gibt es natürlich auch noch den Longtail über die Googlesuche. Gute Blogger schreiben automatisch so, dass ihre Inhalte von Suchmaschinen auch gefunden werden. Dazu muss man heute auch keinen SEO-Führerschein gemacht haben, denn das gehört einfach zum Standard dazu wie ein Artikelbild.
Mir gefällt auch der Begriff „Filterblase“ nicht. Er beschreibt für mich etwas, was in sich geschlossen ist und eine feste Größe besitzt. Ändert sich eines dieser beiden Attribute, platzt die Blase. Doch in bin überzeugt davon, dass die 50.000 ständig Zulauf bekommen und auf der anderen Seite auch wieder Leute verlieren. Auch thematisch sickert immer mal wieder was Neues in die Bubble – wäre es da so vermessen zu glauben, es könnte auch andersherum sein?
Richtig problematisch ist für mich aber die Annahme, dass alle anderen Themen, die nicht die klassischen Blasen-Themen darstellen, folglich noch kleinere Reichweiten erhalten. Egal ob Reise-, Beauty-, Auto-, DIY- oder Foodblogger, sie alle haben zum Teil viel größere Leserzahlen als die Blasenthemenblogger. Nur bekommen wir das in unserer Blase nicht unbedingt mit. Der YouTube-Hype ist beispielsweise an der Blase komplett vorbei gegangen, zumindest ging es mir so.
Der Printmagazin-Vergleich
Wer mich kennt, weiß, dass ich seit einiger Zeit für Printmagazine schreibe. Deren Auflagen sind allerdings seit Jahren mit wenigen Ausnahmen rückläufig, gerade in der IT-Nische. Sie müsste man eigentlich mit den Blogs und deren Entwicklung vergleichen. Mir ist dazu keine Abhandlung bekannt, es wäre aber extrem spannend. Der Vergleich zwischen Print-Inhalten und Blog-Content ist aber auch jenseits der Reichweite sehr schwierig. Paid vs. Free Content, ist nur eins der Probleme, die den Vergleich zum Hinken bringt. Dass Auflagenzahlen nichts über tatsächliche Leser aussagen, ein anderes.
Der Vergleich der Blogs mit dem Lufthansa-Bordmagazin passt beispielsweise gar nicht, denn es ist ein kostenloses Corporate-Publishing-Produkt. Das bei G +J Corporate Publishing produzierte Magazin hat sicher eine hohe Auflage, aber die Themen stehen eben immer im Zusammenhang mit der Lufthansa als Auftraggeber.
Ohne jetzt das Fass Journalisten vs. Blogger wieder aufmachen zu wollen, so unterscheiden sich die Inhalte in Printmagazinen und Blogs einfach grundlegend. Als Journalist kann ich Themen analysieren, sie einordnen und objektiv beurteilen, doch meine persönliche Meinung oder gar Empfehlungen haben in journalistischen Arbeiten nichts zu suchen, es sei denn, es handelt sich um Kommentare. Hier können Blogs für Unternehmen etwas leisten, was in Printmagazinen so nicht geht: Markensichtbarkeit gepaart mit persönlicher Meinung. Das leisten nicht mal vergleichsweise teure Anzeigen. Was nützt einem Reiseunternehmen denn die Reichweite eines Printmagazins, wenn es darin nicht vorkommt? Kauft es sich dagegen einen Platz ein, stehen der vermuteten Wirkung extrem hohe Kosten gegenüber.
Das eigentliche Problem der Blogger Relations
Das eigentliche Problem im Kommunikationsfeld der Blogger Relations liegt darin, dass viele Unternehmen hier Zeit und Ressourcen sparen wollen und versuchen die Komplexität dieser Maßnahme auf ein Minimum zu reduzieren. Dabei scheitern sie allerdings reihenweise. Blogger Relations braucht Zeit und Wissen, Ausdauer und Fantasie, Empathie und Sympathie. In der Praxis wird dafür leider an zu vielen Stellen gespart, was schon mit dem Versuch der Verallgemeinerung anfängt. Jedes Unternehmen muss Blogger Relations für sich selbst erarbeiten und an den eigenen Markt, den speziellen Zielsetzungen und auch den Erwartungen der Blogger anpassen. Daher sind allgemeine Aussagen wie „Blogger Relations werden überschätzt“ aus meiner Sicht falsch. Sie werden nicht überschätzt, sondern oft komplett falsch angegangen.
Ganz wichtig ist hier auch die Erkenntnis, dass Blogger Relations nicht für jedes Unternehmen und jede Branche ein wirkungsvolles Instrument ist. Ein Instrument kann nur dann eine Melodie erzeugen, wenn es jemanden gibt, der es spielen kann. Für Blogger Relations bedeutet das zweierlei:
- Es braucht einen Initiator im Unternehmen, der weiß was er tut.
- Es braucht passende Blogger, die sich auch wirklich mit dem Thema beschäftigen und die gewünschte Zielgruppe bedienen.
Nach meinen Erfahrungen fehlt es oft an genau diesen beiden Punkten. Kommt dann noch eine vertriebliche Zielsetzung hinzu, wird ein Erwartungsszenario aufgebaut, dass bei der Endabrechnung wie ein Kartenhaus zusammenfällt, dem man das stabilisierende Ass aus der Mitte zieht. Ich bin da ganz bei Sabine Haas, die in ihrer Replik schreibt:
Das Thema Blogger Relations gehört in die Unternehmenskommunikation und nicht in die Werbung.
Es sollte um den Dialog mit Multiplikatoren gehen und nicht direkt um die Steigerung des Abverkaufs. Wenn es doch unbedingt vertriebliche Zielsetzungen sein sollen, so müssen die Erwartungen auch entsprechend heruntergefahren werden. Es handelt sich dann um Werbemaßnahmen, für die Blogger auch entlohnt werden sollten. Nur dann ist das für mich keine Blogger Relations mehr, sondern Blog Marketing. Ob sich das am Ende wirklich auszahlt, stelle ich mal in Frage. Übrigens für beide Seiten.
In diese Kategorie fallen für mich dann auch viele Aktionen in bestimmten Blogsubkulturen, wie beispielsweise die von Christian ins Spiel gebrachten Reiseblogger. Die haben sich in den letzten Jahren stark professionalisiert und können zum Teil vom Bloggen leben. Wenn man mit einem Reiseblog um die 4.000 Euro pro Monat über die Affiliate-Programme der Touristikunternehmen einnimmt, ist das für mich eher ein Wirtschaftsunternehmen als ein klassisches Blog. Das ist absolut legitim, keine Frage, aber es ist eben eine andere Art der Beziehung zwischen Publisher und Unternehmen. Das sollten wir genau trennen.
Fazit: Es ist kompliziert
Das Thema Blogger Relations erscheint oft recht einfach, ist aber hoch komplex. Im Laufe der Jahre hat sich eine Blogkultur entwickelt, deren Individuen aus ganz unterschiedlichen Gründen bloggen. Für die Blogger Relations ist es daher extrem wichtig, nicht nur die Ziele der Unternehmen im Sinn zu haben, sondern auch die Motivation der Blogger zu hinterfragen. Das gilt dann auch für die Beurteilung der Wirkung der Blogger Relations. Allgemeine Aussagen helfen hier nicht weiter, wir müssen differenzieren. Von außen geht das aber nur bedingt, denn welche Ziele ein Unternehmen für sich definiert hat, können wir allenfalls erahnen.
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