Ich hatte neulich bei Twitter eine interessante Diskussion, bei der es um die Relevanz von Corporate Blogs ging. Frank Krings, Social Media Manager der Frankfurter Buchmesse, vertrat die Meinung, dass Unternehmensblogs eh nicht gelesen werden und daher für Unternehmen die sozialen Kanäle wichtiger seien. Darauf möchte ich gerne antworten, denn ich sehe das komplett anders.
Neu ist die Diskussion um die Relevanz von Corporate Blogs nicht gerade. Seit Jahren kämpfe ich (mit einigen Mitstreitern) nun schon dafür, dass Unternehmen eine ganzheitliche und nachhaltige Kommunikationsstrategie aufbauen, die sich um eine zentrale Content-Plattform dreht. Ob man das nun Corporate Blog, Content Hub, Unternehmensmagazin oder wie auch immer nennen möchte, spielt im Grunde keine Rolle. Die Übergänge sind fließend und die Unterschiede eher gering. Meist ist die technologische Basis WordPress, so dass die Bezeichnung „Corporate Blog“ sicher nicht verkehrt ist.
Bei den vielfältigen Diskussionen dreht es sich meist um Themen wie Relevanz, Themensetting, Ressourcenaufwand und ähnliche Dinge. Dabei sind viele Vorurteile, subjektive Meinungen und negative Erfahrungen im Spiel.
Schlechte Corporate Blogs sind kein Zeichen für fehlende Relevanz
Diskutiert man über das Lieblingsargument der fehlenden Relevanz von Corporate Blogs, so wird gerne auf schlechte Beispiele verwiesen. Das ist allerdings ein großer Fehler. Ja, es stimmt, es gibt viele Beispiele für schlecht aufgesetzte Corporate Blogs. Gerade in Deutschland fehlt ihnen oft eine grundlegende Strategie, die nicht auf Werbebotschaften oder PR-Material setzt. Wir sehen auf solchen Blogs dann im Grunde eine Sammlung verlängerter Pressemitteilungen, die gelegentlich von Eigenwerbung mit noch größerer Selbstbeweihräucherung unterbrochen werden. Dass das nicht gut funktioniert, keine Sichtbarkeit und kaum Interaktionen bekommt, ist nicht nur verständlich sondern auch gut. Gerade die fehlenden Interaktionen zeigen letztlich, dass die Online-Leser sehr wohl zwischen guten und nicht so guten Inhalten unterscheiden können. Dass sie uninteressante Inhalte nicht auch noch durch Kommentare, Likes oder Shares aufwerten, kann ich nur begrüßen. Selbst für das Unternehmen sind fehlende Zugriffe und Interaktionen eine Hilfe, wenn sie die richtige Schlüsse daraus ziehen.
Genau das passiert aber bei den Unternehmen und bei den Skeptikern eher selten. Statt es an der fehlenden oder falschen Strategie und ungeeigneten Inhalten festzumachen, heißt es schnell:
Corporate Blogs funktionieren nicht!
Dabei gibt es durchaus gute Beispiele, wie Kerstin Hoffmann unlängst drüben im UPLOAD Magazin herausgearbeitet hat. Wer ohne Vorverurteilungen durch die vielen Unternehmensblogs blättert, die in den letzten Monaten an den Start gegangen sind, wird dabei einige lesenswerte Inhalte finden, die auch durch die Zahl der Interaktionen eine relative Relevanz vermitteln. Bis dahin ist es ohne Frage ein mitunter langer und schwieriger Weg, wie ich durch meine Mitarbeit an den Blogs vom WWF Deutschland und der Deutschen Bahn selbst erfahren durfte. Aber ich habe eben auch erlebt, dass es funktionieren kann, Relevanz mit einem Corporate Blog zu erzeugen. Die Definition von Relevanz wäre an dieser Stelle noch zu klären, aber das würde den Rahmen sprengen. Nur kurz: Relevanz kann sehr unterschiedlich sein und hängt in diesem Kontext auch maßgeblich von den Zielsetzungen ab. Wer also die Relevanz eines Corporate Blogs beurteilen will, muss dazu deren Zielsetzungen kennen.
Daraus folgt auch, dass man Relevanz nicht verallgemeinern kann. Nur weil es schlechte Corporate Blogs gibt, heißt das nicht, dass sie grundsätzlich nicht als Kommunikationsmittel taugen.
Stattdessen sind Corporate Blogs genauso auf gute Inhalte angewiesen, wie jedes andere Medium auch. Vielleicht sogar noch mehr, denn die Inhalte stehen nicht im Kontext einer fremden Plattform, sondern ganz direkt im Unternehmenskontext. Bei Facebook stehen die Unternehmensinhalte beispielsweise im Wettbewerb mit den vielen lustigen Inhalten, in dem nützliche, informative Inhalte schnell untergehen können.
Warum die sozialen Kanäle nicht ausreichen
Wer eine nachhaltige Kommunikationsstrategie aufsetzen möchte, sollte sich fragen, ob dafür Facebook, Twitter & Co ausreichen. Alle Inhalte, die dort veröffentlicht werden, haben nur eine geringe Lebensdauer. Bei dem Echtzeitmedium Twitter kann ein Inhalt bereits nach wenigen Minuten wieder in die Niederrungen der Timelines versinken. Hier helfen dann nur noch Retweets, die man sich aber auch erst verdienen muss. Auch Twitter-Ads wären eine Möglichkeit, die bislang in Deutschland aber noch nicht so recht ins Rollen kommen.
Bei Facebook bleiben die Inhalte theoretisch länger im sichtbaren Bereich. In der Praxis sorgt aber der Algorithmus dafür, dass wir nur eine kleine Auswahl der eigentlichen Inhalte angezeigt bekommen. Vor allem werbelastige Inhalte werden fast vollständig zurückgehalten — bis sie über ein Ad-Budget wieder sichtbar gemacht werden. Für Unternehmen bedeutet das: Wer sichtbare Werbebotschaften mit ausreichender Reichweite platzieren will, muss dafür zahlen. Das war sicher nicht immer so, doch mit dem Börsengang haben sich die Zielsetzungen von Facebook für immer geändert. Wer sich hier zu abhängig gemacht und alles auf die Karte Facebook gesetzt hat, muss nun für die frühere kostenlose Sichtbarkeit ordentlich zahlen.
Aber es ist nicht nur der Algorithmus von Facebook, der die Möglichkeiten der Unternehmen einschränkt. Die medialen Darstellungsformen haben sich in den letzten Jahren dynamisch weiterentwickelt. Storytelling, interaktive Elemente, Videos und Infografiken gehören heute zu einem gelungenen Content- und Formatmix dazu. Solche Formate begeistern die potenzielle Kundschaft und sorgen für die dringend benötigten Interaktionen. All das lässt sich aber auf sozialen Kanälen nicht oder nur mit großen Einschränkungen umsetzen.
Ein weiterer Minuspunkt ist die Sichtbarkeit von Social Content in den Suchmaschinen. Sie fehlt schlicht. Unternehmen mit einer Social-only-Kommunikation müssen sich daher dringend bewusst machen, dass sie jeweils nur für kurze Zeit und für eine eingeschränkte Zielgruppe kommunizieren.
Aber wofür brauchen wir dann noch Facebook & Co?
Der große Vorteil von Facebook liegt in der gigantischen Nutzerzahl. Kein Netzwerk hat mehr aktive Nutzer. Unternehmen können das nach wie vor für sich nutzen. Eine Fanpage kann mit guten Inhalten auch heute noch ohne großes Budget funktionieren, nur liegen diese Inhalte immer öfter auf externen, eigenen Plattformen. Dort gibt es den nötigen Gestaltungsspielraum und die nötige Nutzungssicherheit durch die technische Hoheit. Das Unternehmen kann selbst agieren und die Plattform so gestalten, wie sie es gerne möchte und es für die Zielgruppe interessant und nötig ist. Facebook fungiert dann als Community und Verbreitungssatellit. Letzteres gilt übrigens auch für die vielen anderen Netzwerke. Nur wenn die Blogbeiträge konsequent mit den sozialen Kanälen verknüpft werden, schließt sich der Kreis in der Contentstrategie. Für die Konsumenten ist es dann egal, über welchen Weg sie auf das Unternehmen aufmerksam werden. Sie können sich die Plattform aussuchen, auf der sie mit dem Unternehmen interagieren möchten.
Beantwortung weiterer Kritikpunkte in Kürze
Da Frank sich die Mühe einer sehr ausführlichen Kritik an Corporate Blogs gemacht hat, versuche ich nun seine einzelnen Punkte zu beantworten, soweit sie bisher noch nicht behandelt wurden:
- Corporate Blogs sind aufwändig und eine schwere Disziplin.
Ja, das stimmt sicher. Nur muss man sich als Unternehmen immer fragen, worum es hier eigentlich geht: Muss denn der Umgang mit der eigenen Kundschaft immer einfach, schnell und möglichst kostenlos sein? Die Kunden sind doch das größte Kapital eines jeden Unternehmens, da sollte die Kommunikation mit ihnen schon einen gewissen Stellenwert genießen. Dass Corporate Blogging nicht einfach ist, stimmt. Doch das gilt auch für die Kommunikation via Facebook. Ich empfehle Unternehmen an dieser Stelle, dass sie sich Knowhow ins Unternehmen holen und intern Mitarbeiter ausbilden. Das müssen sie auch in anderen Bereichen, aber gerade bei der so wichtigen digitalen Kommunikation soll gespart werden?
- Ohne große Reichweite in den sozialen Kanälen erfährt niemand von neuen Blogbeiträgen.
Wie bereits ausgeführt können die sozialen Kanäle sehr gut als Satellit zur Verbreitung neuer Inhalte dienen. Dazu kommen aber auch noch weitere Mittel wie beispielsweise ein Newsletter, Hinweise in Flyern oder auf Produktverpackungen. Eine gute Idee ist es übrigens auch, wenn ein Corporate Blog Themen spielt, die aus dem Kundenservice angefragt werden. Treten dort immer wieder bestimmte Fragestellungen auf, deutet das auf ein großes Interesse und einen hohen Informationsbedarf hin. Ein entsprechender Blogbeitrag findet dann ganz sicher seine Leser und kann gleichzeitig den Kundenservice entlasten. Wenn beispielsweise via Twitter die behandelte Frage aufkommt, bekommt der Kunde/Interessent den Link zum Blogpost mit der Antwort.
- In Blogs wird nicht kommentiert.
Ja, das ist seit Jahren so, wobei es da auch von Blog zu Blog Unterschiede gibt. Allerdings ist das kein spezielles Problem der Corporate Blogs, sondern spiegelt viel mehr das allgemeine Nutzerverhalten wider. Kommentiert wird in der Regel auf dem Kanal, den der Nutzer bevorzugt. Ich sehe das aber gar nicht als Problem an, denn wenn Interaktion das Ziel ist, spielt der Kanal nur eine untergeordnete Rolle.
- Inhalte sind nur Mittelmaß
Das stimmt in vielen Fällen, aber auch hier haben die guten Corporate Blogs hinzugelernt. Dass sich Unternehmen nun an Memes und Newshacking beteiligen sollen, halte ich jedoch für falsch. Das sind Marketingtricks, die keine Informationen transportieren, sondern nur um Aufmerksamkeit buhlen – doch was ist das Ziel dabei?
- Immer mehr Ex-Blogger haben eine starke Social-Media-Präsenz
Ja, es gibt tatsächlich einige Personen, die als Blogger angefangen haben und sich jetzt eher auf Facebook oder seltener auf Twitter verlegt haben. Das hat meiner Meinung nach aber nichts mit Corporate Blogs zu tun, um die es hier ja eigentlich gehen soll. Zudem ist das ein schönes Beispiel für das Henne-Ei-Paradoxon: Können diese Ex-Blogger nicht nur deshalb komplett auf Social Media setzen, weil sie sich dort über ihr Blog eine genügend große Reichweite aufgebaut haben? Was war also zuerst da?
- Ephemeral Media passen besser zum Mobile-Konsum
Klar, denn genau dafür wurden Snapchat, Periscope & Co. entwickelt. Für Unternehmen stellt sich allerdings grundsätzlich die Frage, wie sie ihre Inhalte nachhaltig und zukunftssicher publizieren und vermarkten können. Gerade die aktuellen Trends zeigen sehr deutlich, dass die Entwicklungen im Social Web viel zu dynamisch sind, als dass Unternehmen noch länger vom Kanal her denken können. Sie brauchen einen zentralen Content Hub, von dem aus sie die verschiedenen Plattformen bedienen können. Ein besseres Werkzeug als einen Corporate Blog sehe ich hier nicht.
Fazit: Mit der richtigen Strategie sind Corporate Blogs sehr wertvoll
Blogs werden alle paar Monate wieder totgeschwiegen, aber sie existieren immer noch. Der Grund ist für mich sehr einfach: Sie lassen sich sehr dynamisch anpassen und trotzen damit jeder neuen Entwicklung und sie bieten eine Nachhaltigkeit und Sicherheit, die für Unternehmen extrem wichtig ist. Social-Media-Plattformen dagegen können wieder verschwinden – oder über Nacht die Regeln zum Nachteil der Unternehmen verändern.
Was ist eure Meinung zum Thema Corporate Blogs vs. Social Media? Ich freue mich auf eine spannende Diskussion…
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